Gro?r?umige Starkniederschl?ge im Klimawandel Mitteleuropas
Antworten auf die Frage, womit wir in Sachen extremer Gebietsniederschl?ge in den kommenden Jahrzehnten zu rechnen haben, geben Wiener und Augsburger Klimaforscher mit den Ergebnissen ihres gemeinsam bearbeiteten Projekts WETRAX.
Augsburg/KPP - WETRAX steht für ?WEather Patterns, Cyclone TRAcks and related precipitation Extremes“ - für ein deutsch-?sterreichisches Kooperationsprojekt, das die Ver?nderung von gro?r?umigen Starkniederschl?gen unter den Bedingungen des Klimawandels für den Zeitraum von 1951 bis 2100 untersucht hat. ?ber die Ergebnisse des Projekts sprach der UniPressedienst mit dem Wiener Projektleiter Magister Michael Hofst?tter und mit Prof. Dr. Jucundus Jacobeit. Der Inhaber des Lehrstuhls für Physische Geographie und Quantitative Methoden zeichnete an der Universit?t Augsburg für das in Kooperation mit der federführenden Wiener Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik bearbeitete WETRAX-Projekt verantwortlich. UPD: Was haben Sie, Herr Jacobeit, und Ihre Wiener Kolleginnen und Kollegen denn konkret untersucht und welche Aus- bzw. Vorhersagen erlauben die Ergebnisse Ihrer WETRAX-Forschungen? Jacobeit: Untersucht haben wir die tats?chliche Ver?nderung und voraussichtliche Entwicklung von gro?r?umigen Starkniederschl?gen für den Zeitraum 1951 bis 2100. Konzentriert haben wir uns auf Niederschl?ge, die das Potential zu gro?r?umigen, extremen Flusshochwassern wie z. B. im August 2002 oder im Mai 2013 an Donau und Elbe haben. Das Untersuchungsgebiet umfasste Süddeutschland, ?sterreich und angrenzende Teile der Schweiz sowie Tschechiens. Kleinr?umige, konvektive Niederschl?ge, die nur in Einzelf?llen substanziell zu extremen Niederschl?gen in einer gesamten Region beitragen, haben wir explizit nicht untersucht. Mit unserem innovativen Ansatz haben wir starkniederschlagsrelevante Muster der atmosph?rischen Zirkulation nach zwei verschiedenen Vorgehensweisen bestimmt und ausgewertet. Diese Muster umfassen einerseits gro?r?umige Zirkulationstypen - gemeinhin ?Wetterlagen“ genannt - und andererseits Zugbahnen von Tiefdruckgebieten. Wir konnten zeigen, dass viele gro?r?umige Starkniederschl?ge in Mitteleuropa mit nur einigen wenigen Zugbahnen und Zirkulationstypen erkl?rt werden k?nnen. Das bedeutendste Muster dabei ist ein persistentes H?hentief über dem Alpenraum in Verbindung mit einem Bodentief, das sich von Oberitalien aus in Richtung Polen verlagert und gro?e Wassermengen aus dem Mittelmeerraum auf den Kontinent transportiert. Wir meinen, dass wir mit diesen Erkenntnissen dazu beitragen, hochwasserrelevante atmosph?rische Vorg?nge besser verstehen und Entscheidungstr?ger im Hochwassermanagement mit belastbaren Fakten bei der Entwicklung von Klimawandelanpassungsstrategien unterstützen zu k?nnen. UPD: Herr Hofst?tter, der Untersuchungszeitraum der WETRAX-Studie reicht bis 2100. Welche ?nderungen sind in den kommenden Jahrzehnten zu erwarten? Hofst?tter: Die Auftrittsh?ufigkeit von starkniederschlagsrelevanten Zugbahnen und Zirkulationstypen hat sich in den letzten Jahrzehnten statistisch kaum signifikant ver?ndert. Nur ein Zugbahntyp, der für Osteuropa von Bedeutung ist, zeigt eine deutliche und signifikante Zunahme. Insgesamt ist speziell im Sommerhalbjahr, also jeweils von Mai bis Oktober, ein deutlicher Rückgang in der Auftrittsh?ufigkeit von starkniederschlagsrelevanten Zugbahnen zu erwarten. Von Dezember bis Februar ist dagegen mit einer Zunahme von Westwetterlagen zu rechnen, die in einigen Regionen zu vermehrten Starkniederschl?gen führen k?nnen. Aufgrund unserer Ergebnisse gehen wir davon aus, dass sowohl die Intensit?t als auch die H?ufigkeit von starken Gebietsniederschl?gen bis zum Jahr 2100 im Herbst und Winter um 5 bis 15 Prozent zunehmen wird. In den Sommern hingegen ist ein Rückgang von 10 bis 30 Prozent zu erwarten. Die saisonale Zunahme der Niederschlagsmengen in den Herbst- und Wintermonaten kann vor allem auf die Zunahme der verfügbaren Feuchtigkeit der w?rmeren Luftmassen zurückgeführt werden. Daneben spielen auch ?nderungen in der Verweildauer und der Intensit?t der Tiefdruckgebiete eine Rolle. Der sommerliche Rückgang starker Gebietsniederschl?ge h?ngt mit der Verst?rkung antizyklonaler Zirkulationsmuster und damit vorwiegend mit dynamischen Prozessen zusammen. Unsere Prognosen basieren auf statistischen Methoden, die auf die Simulationsergebnisse der globalen Atmosph?renmodelle ECHAM5, ECHAM6 und IFS angewendet wurden. Diese Modelle stellen eine Teilkomponente der für den vierten und fünften Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC 2007 und IPCC 2013) eingesetzten Klimamodelle ECHAM5/MPIOM, MPI-ESM und EC-EARTH dar. UPD: Wer wird von dem, was laut WETRAX zu erwarten ist, denn nun besonders betroffen sein? Mit wieviel Gewissheit oder Wahrscheinlichkeit kann man das für Mitteleuropa denn genauer vorhersagen? Jacobeit: Die deutliche Abnahme der gro?r?umigen Starkniederschlagsh?ufigkeit und der Starkniederschlagsmengen im Sommer gilt für alle untersuchten Regionen im Untersuchungsgebiet. Die m??ige Zunahme im Winter und Frühling betrifft insbesondere die n?rdlicheren Gebiete. Die Klimamodelle weisen allerdings auch eine sehr hohe interne Variabilit?t nicht nur in der Prognose, sondern schon in der Gegenwart auf. Wirkungen, die ein verst?rkter Klimawandel haben mag, werden u. U. erst in der zweiten H?lfte des 21. Jahrhunderts deutlich in Erscheinung treten. ?nderungen, wie sie für die kommenden Dekaden projiziert werden, k?nnen u. U. weniger einheitlich sein und - je nach Modell - sogar gegenl?ufig sein. UPD: Von der nicht bis ins Letzte voraussagbaren Zukunft nochmals zurück zu dem, was bereits war: Wie sind denn die katastrophalen Hochwasserereignisse der Jahre 2002 und 2013 einzuordnen? Hofst?tter: Die Hochwasserereignisse vom August 2002 und Mai/Juni 2013 wurden durch ausgepr?gte H?hentiefs über Mitteleuropa ausgel?st, die jeweils in Verbindung mit starken Bodentiefs standen. Diese kamen 2002 aus Oberitalien, 2013 aus dem Balkan. Sie waren für den Sommer ungew?hnlich stark. Die zu den entsprechenden Zeitpunkten vorhandene hohe Bodenfeuchte und das 2002 hohe Temperaturniveau bzw. der 2013 enorm ausgepr?gte Temperaturgegensatz über Mitteleuropa haben in der sp?t- bzw. frühsommerlichen Atmosph?re wesentlich zum enormen Ausma? dieser Hochwasserereignisse beigetragen. Obwohl die Wetterlagen, die hier herrschten, sehr speziell sind und in dieser Intensit?t nur selten auftreten, müssen wir - v. a. mit den schwer kalkulierbaren Folgen des Klimawandels im Hinterkopf - mit derartigen herausragenden und für die regional Betroffenen katastrophalen Wetterereignissen immer rechnen. Angesichts der Zunahme der Lufttemperatur und der Luftfeuchtigkeit in der Klimazukunft müssen wir - trotz der aufgezeigten Abnahmen moderater Extremereignisse im Sommer - auf u. U. sogar noch extremere Ereignisse gefasst sein, als auf solche, die wir aus 2002 oder 2013 kennen. Diese Aussage wird vor allem durch eine gesonderte Analyse von Vb-Zugbahnen gestützt. Bei solchen Vb-Ereignissen, die auch im Sommer eine Zunahme herausragender Extrema m?glich machen, handelt es sich um Situationen, in denen ein feuchtigkeitsangereichertes Tiefdruckgebiet von Oberitalien um den Alpen-Ostrand in Richtung Baltikum zieht. Um das Auftreten von au?ergew?hnlichen Starkniederschlagsereignissen, wie sie im Fall von Vb-Zugbahnen zu erwarten sind, besser verstehen und damit Ver?nderungen im Auftreten von derartigen Ereignissen besser absch?tzen zu k?nnen, bedarf es über unsere WETRAX-Ergebnisse hinaus weiterer intensiver Forschungsarbeit. ______________________________ Das nach dreij?hriger Laufzeit inzwischen abgeschlossene deutsch-?sterreichische WETRAX-Projekt, an dem neben Wissenschaftlern der Abteilung für Klimaforschung der Wiener Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik sowie des Instituts für Geographie der Universit?t Augsburg auch Entscheidungstr?ger aus dem ?sterreichischen und deutschen Hochwassermanagement mitwirkten, wurde vom ?sterreichischen Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, dem Bayerischen Landesamt für Umwelt und der Bundesanstalt für Gew?sserkunde als Auftraggebern finanziert.