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Pressemitteilung 135/16 - 11.10.2016

Ein harter Knochen: Carbonbeton aus Augsburg

Chemiker der Universit?t Augsburg haben herausgefunden, wie sich mit gerichteten Carbon-Kurzfasern kostengünstig extrem fester Zement herstellen l?sst

Augsburg/DV/KPP - Wissenschaftler um Prof. Dr. Dirk Volkmer am Lehrstuhl für Festk?rperchemie der Universit?t Augsburg berichten im Journal "Cement and Concrete Research" erstmals von einem einfachen und ressourceneffizienten Verfahren, mit dem eine gezielte Ausrichtung von Carbon-Kurzfasern in zement?ren Baustoffen erreicht werden kann. Das mit diesem Verfahren erzeugte Material weist eine au?ergew?hnliche Festigkeit auf, die den eigentlich spr?den Werkstoff ?Zement“ in die Liga von z?hen high-performance Strukturbiomaterialien wie Knochen oder Muschelschalen aufsteigen l?sst. Das Material wurde in Zusammenarbeit mit dem Baustoff-Unternehmen Schwenk KG entwickelt – verbunden mit der Vision, zukünftig auf eine Stahlarmierung von Betonbauteilen verzichten zu k?nnen.

Faserverst?rkte M?rtel und Betone finden wachsendes Interesse in der Bauindustrie, da durch Faserzus?tze die geringe Zugfestigkeit von unbewehrtem Beton verbessert werden kann. Speziell Carbonfasern verbinden die Vorteile von geringer Dichte und hoher Korrosionsbest?ndigkeit mit hervorragender Festigkeit. Aufgrund ihrer hohen Herstellungskosten wurden sie bisher aber nicht in gr??erem Ma?stab in Betonbauteile eingebracht.

Mehr Festigkeit durch gezielte Carbonfaser-Ausrichtung

Beim Gie?en von faserbewehrtem Beton in Formen oder Schalungen werden die Fasern stets zuf?llig orientiert. Da jedoch tragende Strukturen von Geb?udekonstruktionen meist nur in einer Richtung belastet werden, bleibt bei regelloser Orientierung der Fasern ein gro?er Teil ihres Potenzials für eine Festigkeitssteigerung ungenutzt. "Würden hingegen alle Fasern parallel entlang der Kraftlinien ausgerichtet, die auf das Werkstück einwirken, k?nnten auch geringe und damit ressourcenschonende Faserbeimischungen eine gro?e Wirkung zeigen. Dies war unser Grundgedanke", so Prof. Dr. Dirk Volkmer, "denn ?hnliche Strategien finden sich in der Natur in Strukturmaterialien, so z. B. im natürlichen Knochen, dessen Aufbau an stark belasteten Stellen durch ausgerichtete Collagenfasern passend verst?rkt wird."

Diesen ?berlegungen folgend hat Volkmers Augsburger Forschergruppe ein Konzept entwickelt, das ein gezieltes Ausrichten von Carbon-Kurzfasern in einer M?rtelmischung m?glich macht. ?ber die Ergebnisse berichtet das Team jetzt in der renommierten Fachzeitschrift für Baustoffe "Cement and Concrete Research" ( http://dx.doi.org/10.1016/j.cemconres.2016.08.011).
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Düsen statt Schalen und Gie?en

Die Wissenschaftler verfolgten einen neuartigen Ansatz, mit dem sie dem typischen Gie?en der M?rtelmischung in Schalungen den Rücken kehrten. Sie entwickelten ein "Düsenverfahren", bei dem die Faser-Zementmasse durch eine enge Düse gepresst wird. Der Clou dabei: Durch eine entsprechende Anpassung des Düsenquerschnitts kann eine Vorzugsausrichtung der Fasern beim Durchtritt durch die Düse erzwungen werden, wie aus Abbildung 1 ersichtlich wird. Die Carbon-Kurzfasern orientieren sich dabei parallel zur Richtung der M?rtelmasse bei deren Austritt durch die Düse (siehe Abb. 1, Innenbild).

?u?erst z?h und bruchfest

?Zun?chst haben wir an einer m?glichst homogenen Verteilung der Carbon-Kurzfasern in der M?rtelmischung gearbeitet“, berichtet Volkmers Doktorand Manuel Hambach. ?Wir haben aber schnell herausgefunden, dass mit solch einer homogenen Verteilung allein nur eine begrenzte Steigerung der Festigkeit m?glich ist, da die Fasern ja in allen drei Raumrichtungen orientiert sind. Erst mit unserem Düsenverfahren und der Ausrichtung der Fasern entlang der auftretenden Zugkr?fte erhielten wir ein Material, das ?u?erst z?h und bruchfest ist.“
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Festigkeitssteigerung um 1340 %

Die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass Proben, die mit diesem Düsenverfahren hergestellt werden und 3 % Volumenanteile gerichteter Carbon-Kurzfasern enthalten, Biegezugfestigkeiten von bis zu 120 Megapascal (MPa) erreichen. Das Pascal ist eine Einheit zur Definition des Drucks oder der mechanischen Spannung - und zum Vergleich: Eine Betonprobe ohne Faser- oder Stahlbewehrung weist lediglich 8 MPa Biegezugfestigkeit auf. Durch die gezielte Faserorientierung kann also eine Festigkeitssteigerung um 1340 % erreicht werden, wodurch das Material extrem zugfest wird, wie die Abbildung 2 zeigt.
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Geb?ude ohne Stahlbeton

Weiterhin konnten die Augsburger Forscher zeigen, dass die Druckfestigkeit, die ebenfalls sehr wichtig für M?rtel und Beton ist, durch die zur Steigerung der Biegezugfestigkeit gewünschte und erzielte Ausrichtung der Carbon-Kurzfasern nicht negativ beeinflusst wird. "Unsere Mischung aus Zement, Wasser und gerichteten Carbon-Kurzfasern ist damit der erste zement?re Baustoff, der über eine Biegezugfestigkeit verfügt, die h?her ist als seine Druckfestigkeit. Für die Entwicklung von Geb?udekonstruktionen, bei denen die übliche Stahlbewehrung reduziert oder bei denen auf solch eine Stahlbewehrung komplett verzichtet werden soll, ist dies ein wichtiger Meilenstein", so Volkmer, "denn unser Material weist ?hnlich hohe Festigkeiten auf wie das Hartgewebe von S?ugetierknochen, das Wissenschaftler aus aller Welt seit Jahrzehnten biomimetisch nachzuahmen versuchen."

Umsetzung mit 3D-Druck

Damit dieser neue Baustoff allerdings den Weg in eine praktische Anwendung finden kann, wird es von entscheidender Bedeutung sein, technische Konzepte zur ?bertragung des Düsenverfahrens auf realit?tsnahe Abmessungen von Geb?udebauteilen zu entwickeln. Das derzeitige Verfahren ist mit den derzeit üblichen Verarbeitungsmethoden auf Baustellen n?mlich noch nicht vereinbar, wie Volkmer einr?umt. Aber auch für dieses Problem haben die Augsburger Wissenschaftler bereits eine potentielle L?sung parat: Im 3D-Druck, der immer mehr an Bedeutung in der Materialforschung und -entwicklung gewinnt, sehen sie in diesem Kontext ein zukunftstr?chtiges Konzept. "Erste Prototypen von H?usern, die mit Hilfe von 3D-Druckern hergestellt wurden, erregen schon seit einigen Jahren das ?ffentliche Interesse", sagt Volkmer. Zwinkernd verweist er in diesem Zusammenhang auf den kürzlich gelegten Grundstein für das neue Augsburger Forschungsgeb?ude "Materials Resource Management" (MRM), der von seinem Team mit einem 3D-Drucker aus FIBRACRETE - so die interne?Bezeichnung für den Augsburger Carbon-Kurzfaserm?rtel - angefertigt wurde.

Multifunktionale Anwendungsm?glichkeiten

Au?er durch seine hohe Festigkeit zeichnet sich FIBRACRETE auch durch seine multifunktionalen Anwendungsm?glichkeiten aus. So konnten Volkmer und seine Gruppe bereits in einer Publikation Anfang 2016 über den Nachweis der elektrischen Beheizbarkeit von Zementm?rtel mit Carbon-Kurzfasern berichten(siehe http://dx.doi.org/10.1016/j.compositesb.2016.01.043). Der neue Werkstoff reihe sich somit, sagt Volkmer, hervorragend in die in Augsburg vorhandene Expertise auf dem Gebiet der funktionalen Carbonmaterialien (Carboterials?) ein.

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Publikationen:

  • Hambach, M., M?ller, H., Neumann, T., & Volkmer, D. (2016). Portland cement paste with aligned carbon fibers exhibiting exceptionally high flexural strength (> 100MPa). Cement and Concrete Research, 89, 80-86. - http://dx.doi.org/10.1016/j.cemconres.2016.08.011
  • Hambach, M., M?ller, H., Neumann, T., & Volkmer, D. (2016). Carbon fibre reinforced cement-based composites as smart floor heating materials. Composites Part B: Engineering, 90, 465-470. - http://dx.doi.org/10.1016/j.compositesb.2016.01.043

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