Einkristallsynthese: kostengünstig und einfach in hei?er Luft
Physiker der Universit?t Augsburg berichten mit Kollegen aus Oxford in Nature Scientific Reports über eine neue Methode zur Herstellung Lithium-basierter ?bergangsmetalloxid-Kristalle
Augsburg/PhG/KPP - Zur Synthese von keramischen Kristallen sind meist sehr komplizierte Verfahren notwendig. Die Ausgangsmaterialen müssen entweder in Pulverform gemischt, mehrmals gepresst und vorreagiert werden, bevor Einkristalle durch kontrolliertes Schmelzen bei hohen Temperaturen entstehen, oder das Kristallwachstum erfolgt aus L?sungen bzw. in Gasstr?men w?hrend komplexer Prozesse. Die Einkristallsynthese von Lithium-Iridat, das aufgrund seiner vorhergesagten au?ergew?hnlichen magnetischen Eigenschaften aktuell von gro?em Interesse ist, war bislang mit keiner der etablierten Methoden m?glich. Augsburger Physikern ist nun mit einer sehr einfachen und unkonventionellen Methode die Synthese von α-Li2IrO3 -Kristallen gelungen. Diese neue, auf isothermen Gastransport basierende Methode ben?tigt weder eine Durchmischung der Ausgangselemente noch besondere Vorsynthesen oder Zus?tze. Sie funktioniert einfach und kostengünstig in hei?er Luft. Bei der Erforschung exotischer magnetischer Grundzust?nde erregte Lithium-Iridat (α-Li2IrO3) in jüngster Vergangenheit gro?e Aufmerksamkeit. Es f?llt in die Klasse der sogenannten Honigwaben-Iridate, die als verhei?ungsvolle Kandidaten für die Realisierung einer neuartigen magnetischen Wechselwirkung – benannt nach dem Physiker Alexei Yurevich Kitaev – gelten. Diese Kitaev-Wechselwirkung verknüpft auf einem Honigwabengitter benachbarte magnetische Momente in einer ganz speziellen Form, die für die Realisierung von topologischen Quantencomputern wichtig sein k?nnte. Bisher konnte α-Li2IrO3 nur als Pulver synthetisiert werden, das entsprechende Fehlen von Einkristallen verwehrte den Forschern weitere wichtige Erkenntnisse über dieses Material. Mit der von den Augsburger Physikern um Prof. Dr. Philipp Gegenwart und Dr. Anton Jesche nun in Nature Scientific Reports beschriebenen Methode wurden erstmals solche Einkristalle hergestellt. Und darüber hat diese Methode sich inzwischen als vielseitig anwendbar erwiesen. Auch Einkristalle weiterer Verbindungen lassen sich mit ihr herstellen. Die Verfügbarkeit von Einkristallen ist für die Materialforschung eine grundlegende Voraussetzung. Denn Einkristalle erlauben z. B. Messungen entlang spezifischer kristallographischer Achsen, wie sie bei einem Pulver nicht m?glich sind. Weiterhin lassen sich R?ntgenstrukturanalysen qualitativ verbessern, wenn hinreichend gro?e Einkristalle vorliegen, und auch die Bestimmung von magnetischen Strukturen gelingt oft erst unter dieser Voraussetzung. Um Kristalle für neue Materialien herzustellen, bedient man sich üblicherweise g?ngiger Kristallzuchtmethoden: Festk?rperreaktionen, Schmelz- bzw. Flusszucht oder Gasphasentransport. Die Natur erschwert dies mit mancherlei Hindernissen, und diese klassischen Methoden führen nicht immer zum erwünschten Ergebnis. ?Wenn alle Versuche auf etablierten Wegen scheitern, sind neuartige unkonventionelle Ideen gefragt“, sagt Philipp Gegenwart. An seinem Augsburger Lehrstuhl für Experimentalphysik VI/EKM ist es der Nachwuchsgruppe um Anton Jesche jetzt erstmals gelungen, Einkristalle von α-Li2IrO3 mit einer v?llig neuen Technik herzustellen. Die Best?tigung der mit dieser neuen Technik erreichten hervorragenden kristallinen Qualit?t und die Untersuchung der magnetischen Eigenschaften dieser auf neue Art erzeugten Lithium-Iridat-Einkristalle steuerte eine kooperierende Forschergruppe der Universit?t Oxford bei. Die sogenannten Edukte, also die Ausgangsmaterialien - im Fall von α-Li2IrO3 sind dies Lithium und Iridium - liegen bei dem neuen Verfahren zun?chst vertikal voneinander getrennt vor. W?hrend des Aufheizens in Luft bilden sie Oxide und Hydroxide, die bei einer Temperatur von 1020°C durch Gasphasentransport über die ursprüngliche Trennung hinweg zueinanderfinden und miteinander reagieren. Die aus dieser Reaktion resultierende Kristallisation findet bevorzugt an Kristallisationspunkten statt, die durch einen speziellen Aufbau vorgegeben werden (siehe Abbildung). Einzigartig bei dieser Methode ist, dass der Reaktions- bzw. Kristallisationsprozess in offener Atmosph?re an Luft und mit r?umlich separierten Ausgangsmaterialien erfolgt. Ein Konzentrationsgef?lle zwischen den Reaktionsgasen erm?glicht die fortlaufende Bildung der Kristalle. ?Damit unterscheidet sich unsere Technik grundlegend von der etablierten Methode des Gasphasentransports. Bei dieser Methode wird das Material in einer ganz speziellen Atmosph?re in einem abgeschlossenen Volumen durch einen Temperaturunterschied transportiert , wobei sich die Kristalle dann am k?ltesten Punkt des abgeschlossenen Volumens bilden“, erl?utert Anton Jesche. Auf der Grundlage der mit der neuen Methode erzeugten Kristalle konnte mittels resonanter R?ntgendiffraktometrie bereits die magnetische Struktur von α-Li2IrO3 entziffert werden, wie die Augsburger Physiker und ihre Kollegen aus Oxford in einer weiteren Ver?ffentlichung in Physical Review B berichten. ?Au?erdem“, so Gegenwart, ?zeigen Messungen auch hochtinteressante Ergebnisse zur richtungsabh?ngigen magnetischen Anisotropie von Lithium-Iridat.“ Besonders hervorzuheben sei aber, dass sich mit der neuen Methode nicht nur α-Li2IrO3 Kristalle synthetisieren lassen. Gegenwart: ?Nachdem wir mittlerweile auch Einkristalle verwandter Verbindungen wie der Hochtemperaturphase β-Li2IrO3 oder Li2RuO3 herstellen konnten, sind wir davon überzeugt, dass sich unsere Methode erfolgreich auf eine Vielzahl weiterer Verbindungen wird anwenden lassen.“ __________________________________ F. Freund, S.C. Williams, R.D. Johnson, R. Coldea, P. Gegenwart, A. Jesche, Single crystal growth from separated educts and its application to lithium transition-metal oxides. Sci. Rep. 6, 35362 (2016),
http://www.nature.com/articles/srep35362 S.C. Williams, R.D. Johnson, F. Freund, S. Choi, A. Jesche, I. Kimchi, S. Manni, A. Bombardi, P. Manuel, P. Gegenwart, R. Coldea. Incommensurate counterrotating magnetic order stabilized by Kitaev interactions in the layered honeycomb α-Li2IrO3. Phys. Rev. B 93, 195158 (2016),?
http://journals.aps.org/prb/abstract/10.1103/PhysRevB.93.195158 __________________________________ Englischsprachige Ausgabe:
https://idw-online.de/de/news663146Lithium-Iridat: ein Material mit hohem Potential
Einkristalle: Voraussetzung für tiefere Materialeinblicke
?berwindung der Grenzen g?ngiger Kristallzuchtmethoden
Die neue Methode: isothermer Gasphasentransport mit separierten Edukten
Bereits entziffert: die magnetische Struktur von Lithium-Iridat
Auch auf die Einkristallzucht verwandter Verbindungen anwendbar
Publikationen: