?Intelligente“ Implantat-Beschichtungen sollen Infektionen im Keim ersticken
Neu entwickelte Beschichtung entl?sst antimikrobielle Ionen – aber nur so schnell wie n?tig / Forscher erhoffen sich bessere Einheilung von Endoprothesen
Augsburg – Ein Material, das vor allem dann toxisch wirkt, wenn sich in seiner Umgebung Bakterien tummeln? Physiker der Universit?t Augsburg haben zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Hamburg und München eine solche ?intelligente“ Beschichtung entwickelt. Sie k?nnte in Zukunft dazu beitragen, Komplikationen bei der Einheilung von Endoprothesen zu verhindern. Die Beschichtung bietet zudem weitere Vorteile: Es ist ausgesprochen verschlei?arm und doch gleichzeitig so ?rau“, dass Knochenzellen gut an ihm haften. Die Studie ist heute[CW1]? in der Zeitschrift ?Scientific Reports“ der Nature Publishing Group erschienen. Denn Infektionen gehen oft mit einer Verringerung des pH-Werts einher – die Wunde ?wird sauer“. Die Idee der Wissenschaftler: Vielleicht führt das dazu, dass der Kohlenstoff-?berzug seinen Zink-Inhalt vor allem in Anwesenheit von Bakterien abgibt – also dann, wenn es tats?chlich n?tig ist. ?Wir haben daher zun?chst winzige Zinkoxid-Partikel erzeugt“, erl?utert der Biophysiker. ?Jeder von ihnen war nicht einmal ein Zwanzigstel so dick wie ein Bakterium.“ Dann rührten die Forscher diesen ?Schwermetall-Staub“ in eine flüssige Polymerl?sung ein und benetzten damit ihre Test-Implantate. Den dünnen Polymerfilm wandelten sie anschlie?end durch ein trickreiches Verfahren in DLC um. ? ?
Die Implantation künstlicher Hüft- oder Kniegelenke geh?rt heute zum chirurgischen Alltag. Ein Problem, mit dem die ?rzte zu k?mpfen haben, sind Infektionen in der N?he der Prothese. Sie verz?gern die Einheilung und k?nnen die Stabilit?t der Verbindung zwischen Endoprothese und Knochen dauerhaft beeintr?chtigen. Darüber hinaus erh?hen sie für den Patienten das Operationsrisiko. ?Erschwerend kommt hinzu, dass immer mehr Bakterien gegen g?ngige Antibiotika resistent werden“, erkl?rt Dr. Christoph Westerhausen vom Lehrstuhl für Experimentalphysik I der Universit?t Augsburg. ?Das zwingt uns zur Suche nach Alternativen.“
Eine solche k?nnte die neuartige Beschichtung sein, die das Forschungsteam aus Augsburg, Hamburg und München nun entwickelt und getestet haben. Dabei handelt es sich um einen hauchdünnen ?berzug aus diamant?hnlichem Kohlenstoff, der bei Experten unter dem Kürzel ?DLC“ firmiert. DLC-Beschichtungen sind ?u?erst widerstandsf?hig; sie werden daher schon seit vielen Jahren immer dann eingesetzt, wenn Verschlei? und Abrieb minimiert werden müssen. Der Clou der neuartigen Beschichtung liegt aber woanders: ?Wir haben sie gezielt mit Zinkoxid-Partikeln dotiert“, betont Westerhausen. ?Zinkionen sind für Mikroorganismen toxisch; die Aufl?sung von Zinkoxid ist zudem stark vom pH-Wert der L?sung abh?ngig.“
Leider hat das Schwermetall jedoch einen bedeutenden Nachteil: Es kann auch K?rperzellen sch?digen oder sogar abt?ten – ein Effekt, der natürlich bei der Einheilung des Implantats unerwünscht ist. So lange das Zinkoxid in die DLC-Schicht eingebettet ist, besteht allerdings keine Gefahr. Erst wenn sich die Nanopartikel in der Gewebsflüssigkeit l?sen und das Zink so zu einem frei beweglichen Ion wird, entfaltet es sein toxisches Potenzial. Besonders schnell geschieht das in sauren Umgebungen (ein Effekt, den man übrigens bei der Herstellung der früher weit verbreiteten Zink-Kohle-Batterien nutzte). ?Und genau dieses Ph?nomen hat uns zum Design unserer DLC-Schichten bewogen“, sagt Westerhausen.Wenn die Wunde sauer wird
Die so erhaltene Beschichtung testeten sie auf ihr Verhalten bei unterschiedlichen pH-Werten. Normalerweise ist die Gewebsflüssigkeit neutral bis minimal alkalisch; bei einer Entzündung wird sie dagegen leicht sauer. Tats?chlich l?ste sich das Zinkoxid unter diesen Bedingungen deutlich schneller: Die Beschichtung entlie? bei einer Absenkung des pHs um eine Stufe (was etwa dem typischen Wert bei einem Infekt entspricht) in der Anfangsphase der Freisetzung rund drei?ig Prozent mehr Zinkionen. In einer noch saureren Umgebung betrug die Steigerung sogar 130 Prozent.? In mikrobiellen Tests konnten die Forscher zudem zeigen, dass die Beschichtung Bakterien wirksam in ihrem Wachstum hemmen kann – und zwar vor allem bei einem sauren pH-Wert. Zu den getesteten Mikroben geh?rten auch solche, die gegen verschiedene Antibiotika resistent sind und die nach Operationen daher h?ufiger Probleme verursachen.
Zwar wurden auch Gewebszellen durch die Zink-Ionen gesch?digt. ?Doch bei ihnen tritt die Wirkung ebenfalls vor allem bei saurem pH auf, also bei einem Infekt“, betont Dr. Westerhausen. ?In einer solchen Situation überwiegt aber der Vorteil – n?mlich die Abt?tung der Bakterien – den Nachteil der Gewebssch?digung bei weitem.“ In weiteren Tests wollen die Wissenschaftler nun verschiedene Parameter der neuen Beschichtung variieren, etwa die Menge der hinzugefügten Zink-Ionen. Sie hoffen so, den Effekt weiter optimieren zu k?nnen. Westerhausen: ?Wir sehen in unseren DLC-Schichten schon jetzt gro?es Potenzial, Komplikationen bei der Einheilung von Endoprothesen deutlich zu reduzieren.“
Originalpublikation:
Sascha Buchegger, Andrej Kamenac, Sven Fuchs, Rudolf Herrmann, Pia Houdek, Christian Gorzelanny, Andreas Obermeier, Stephan Heller, Rainer Burgkart, Bernd Stritzker, Achim Wixforth & Christoph Westerhausen: Smart antimicrobial efficacy employing pH-sensitive ZnO-doped DLC coatings; Scientific Reports; https://www.nature.com/articles/s41598-019-53521-7
Video-Interview #forscherfreitag
In diesem #forscherfreitag gibt uns Dr. Christoph Westerhausen einen exklusiven Einblick in die zukunftsweisende Implantat Forschung der Universit?t Augsburg. Sogenannte "smarte Implantate" sollen in Zukunft das Risiko für Entzündungen drastisch reduzieren k?nnen und aufgrund verschiedener Nanopartikel auf Ver?nderungen der Umgebung reagieren. Au?erdem gibt er uns einen spannenden Einblick, wie die Projektidee für diese Forschung entstanden ist.
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