Macht und Grenzen der ?Diplomatenp?pste“
Kirchenhistorische Publikation beschreibt Friedensbemühungen der Au?enpolitik des Vatikans
In seiner kürzlich erschienen Monographie weist der Augsburger Kirchenhistoriker Prof. DDr. J?rg Ernesti auf einen Umstand hin, der in der Forschung bisher noch kaum untersucht wurde: Fast alle P?pste im Zeitraum zwischen 1878 und 1978 hatten eine diplomatische Ausbildung und wirkten vor ihrer Wahl als Diplomaten oder Mitarbeiter der p?pstlichen Au?enpolitik. Die katholische Kirche wurde also ein Jahrhundert lang von politisch-diplomatisch versierten M?nnern geleitet. Diese Pr?gung sollte nicht ohne Einfluss auf die Ausrichtung des Heiligen Stuhls bleiben. ?Man k?nnte also durchaus von einem Zeitalter der Diplomatenp?pste sprechen.“, so fasst J?rg Ernesti, Professor für Mittlere und Neue Kirchengeschichte und Dekan der Katholisch-Theologischen Fakult?t der Universit?t Augsburg, diesen Aspekt seiner Forschung zusammen. In seiner Monographie ?Friedensmacht. Die vatikanische Au?enpolitik von 1878 bis 1978.“ zeigt er auf, dass das Jahr 1870 eine Z?sur darstellt, insofern es seither zu einer Neuumschreibung des p?pstlichen Rollenbildes kam. Nach dem Verlust der territorialen Herrschaft suchten sich die P?pste schon bald als Vermittler in internationalen Konflikten zu profilieren. Die entscheidenden Schwerpunkte dieser neuen Politik wurden bereits w?hrend des Ersten Weltkriegs ausgebildet. So verurteilte Benedikt XV. zwar diesen Krieg mit scharfen Worten und lie? keine Rechtfertigung gelten, ihn zu führen. Doch wahrte er ansonsten eine strikte ?berparteilichkeit, um die humanit?ren Interventionen des Heiligen Stuhls nicht zu gef?hrden und die M?glichkeit einer Friedensvermittlung offenzuhalten. Das sollte in allen kriegerischen Konflikten des 20. und 21. Jahrhunderts so bleiben. Humanit?re Aktivit?ten (wie zum Beispiel ein Vermisstensuchdienst) waren im Ersten und Zweiten Weltkrieg mit Einschr?nkungen m?glich, nicht aber eine echte Friedensvermittlung. ?Als Hemmschuh für das au?enpolitische Standing des Vatikans sollte sich nach 1945 eine theologische Pr?misse erweisen: Die P?pste hatten seit der Franz?sischen Revolution immer wieder die Religionsfreiheit sowie die Trennung von Staat und Kirche verurteilt“, so Ernesti. Erst nach einer l?ngst überf?lligen Korrektur dieser Position in den sechziger Jahren sei eine Mitarbeit des Heiligen Stuhls bei der UNO und ihren Sonderorganisationen, beim Europarat und der OSZE m?glich gewesen. In den letzten 40 Jahren stieg auch die Zahl der diplomatischen Vertretungen im Vatikan auf heute 184 Staaten an. Neben die klassische Friedensvermittlung trat nun der Einsatz für Menschenrechte, globale Entwicklungschancen, Flüchtlinge und Umweltschutz. All diese Entwicklungen wurden von den ?Diplomatenp?psten“, so der Begriff von J?rg Ernesti, der letzten 150 Jahre stark vorangetrieben. ?Beim Begriff ?Diplomatenpapst‘ mag manchen Beobachter ein gewisses Unbehagen überkommen. Denn Au?enpolitik, Diplomatie, Einsatz für Menschenrechte und Vermittlung in internationalen Konflikten sind ja nicht die prim?re Aufgabe des Papstes – ist dieser doch in erster Linie Leiter der Gesamtkirche und ihr oberster theologischer Lehrer.“, führt der Kirchenhistoriker weiter aus und formuliert: ?Im Evangelium steht nichts von Friedensdiplomatie, wohl aber die Weisung Christi: ?Darum gehet hin und lehret alle V?lker…‘“ Dennoch geh?rt das au?enpolitische Engagement heute zum Rollenbild eines jeden Papstes, zwar nicht als zentrales, aber doch als ein wichtiges Element. In der Politikwissenschaft ist die Au?enpolitik des Heiligen Stuhls als Soft Power beschrieben worden. Soft Power basiert im Unterschied zu Hard Power nicht auf wirtschaftlichem Gewicht oder milit?rischer St?rke, sondern auf Glaubwürdigkeit und moralischer ?berzeugungskraft. ?Wenn den P?psten diese Autorit?t zugestanden wird, k?nnen sie wirksam in Konflikten vermitteln und sich für humanit?re Belange einsetzen – aber eben nur dann.“ Prof. Dr. J?rg Ernesti erkl?rt: ?Mit dem polnischen Papst assoziiert man gewiss nicht sogleich die Diplomatie, sondern man denkt eher an seine kompromisslose Haltung gegenüber dem kommunistischen Regime in Polen.“ Dennoch fiel in seinen Pontifikat auch die Vermeidung eines Krieges zwischen Argentinien und Chile im Jahr 1980 durch einen p?pstlichen Schiedsspruch – ?ein diplomatisches Meisterstück“. Vor dem Dritten Golfkrieg tat der Papst zwar alles, um diesen zu verhindern, doch blieben Gespr?che mit den Regierungschefs der damaligen ?Koalition der Willigen“ ergebnislos. ??hnlich verh?lt es sich mit Papst Franziskus, der als unkonventioneller, ja, vielleicht als revolution?rer Geist erlebt wird, der eine offene und undiplomatische Sprache spricht.“, beschreibt Ernesti den aktuellen Papst: ?Dennoch zeigen seine Interventionen im Ukrainekrieg, dass er auf dem Boden einer langen diplomatischen Tradition agiert. Dazu geh?ren die strikte ?berparteilichkeit und der Verzicht darauf, den Aggressor zu verurteilen (eine zuletzt nicht unumstrittene Haltung!); dazu z?hlen diplomatische Bemühungen um humanit?re Korridore; und dazu z?hlt schlie?lich der Versuch, Einfluss auf den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill zu nehmen, der als ein wichtiger Unterstützer des russischen Pr?sidenten Putin gilt. Wie jetzt deutlich wird, ist Franziskus sicherlich mehr Diplomat, als viele Zeitgenossen das erwartet h?tten. Das Zeitalter der Diplomatenp?pste endet nicht im Jahr 1978, sondern es wird bis in die Gegenwart fortgeschrieben.“ ? J?rg Ernesti: Friedensmacht. Die vatikanische Au?enpolitik seit 1870. Verlag Herder 2022.
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??Diplomatenp?pste“ – Ausdruck der Friedensvermittlungen des Heiligen Stuhls
Stehen nun der 1978 zum Papst gew?hlte Johannes Paul II. und der aktuelle Papst Franziskus ?in der Tradition der ?Diplomatenp?pste“, oder verk?rpern sie einen anderen Typus?
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