Bisher unbekannter Klassiker der lateinamerikanischen Geschichte
Manuskript ?Paraguay Cultivado“ aus dem 18. Jahrhundert wird erforscht und erstmals ganz ver?ffentlicht
Er war einer der produktivsten jesuitischen Autoren seiner Zeit in Südamerika: José Francisco Sánchez Labrador (1717?–1798). Allerdings wurde sein Hauptwerk, eine umfangreiche dreiteilige enzyklop?dische Beschreibung von Gran Paraguay, bis heute nicht vollst?ndig gedruckt. Jetzt untersucht ein DFG-gef?rdertes Projekt an der Universit?t Augsburg und an der Christian-Albrechts-Universit?t zu Kiel den dritten Teil der Trilogie: das Manuskript ?Paraguay Cultivado“. Es galt lange als verschollen, nun soll es erstmals komplett ver?ffentlicht werden. Er ist eine herausragende Pers?nlichkeit des 18. Jahrhunderts – José F. Sánchez Labrador (1717?–1798). Allerdings ist er heute nur wenigen Fachleuten bekannt. Ein Grund dafür: Sein Hauptwerk wurde bis heute nicht durchg?ngig ver?ffentlicht. Die über 4.000 Seiten starke, dreiteilige enzyklop?dische Beschreibung Paraguays war lange nicht zug?nglich. Der Lagerort von zumindest zwei der drei Teile war bekannt, doch das Werk nur als Manuskript einsehbar. ??Paraguay Cultivado‘ ist der originellste Teil der Trilogie“, erkl?rt Steffen. Die beiden anderen Teile der Enzyklop?die behandeln Themen, die gro?teils auch in anderen Schriften der Zeit vorkommen. Anders hingegen ?Paraguay Cultivado“: Es entwirft ein Programm für die Zukunft. Beeinflusst von Ideen der Aufkl?rung und entstanden im Exil nach der Ausweisung der Jesuiten aus Südamerika, beschreibt es, wie die Landwirtschaft in Paraguay modernisiert werden k?nnte. ?Das ist sprachwissenschaftlich und kulturwissenschaftlich interessant. Aus dieser Sicht ist es der lohnendste Teil der Trilogie“, erkl?rt Steffen. Dass dieser Klassiker der Geschichte der Landwirtschaft in Südamerika noch fast vollkommen unbekannt ist, liegt auch daran, dass der Teil des Manuskripts etwa hundert Jahre als verschollen galt. Erst 2017 wurde er wiederentdeckt, aber nicht ver?ffentlicht. Das m?chte das Forschungsprojekt nachholen.? Geplant ist eine vollst?ndige digitale und gedruckte Ausgabe von ?Paraguay Cultivado“. Dafür soll das handschriftliche Manuskript transkribiert, übersetzt und kommentiert werden. Das Werk verweist vielfach auf andere Schriften, etwa auf Landwirtschaftsbücher aus der Renaissance oder auf die Encyclopédie (1751–1772) von Diderot und d’Alembert, nennt aber nicht die genauen Stellen der zitierten Schriften. Das m?chte das Forschungsteam nun aufarbeiten. Die Transliteration wird eine Herausforderung. Zwar wird das Forschungsteam dabei von einem KI-Tool unterstützt. Es wurde am Korpus trainiert und erkennt den Text sehr zuverl?ssig. Doch das Manuskript weist einige Besonderheiten auf. So ist das Layout komplex: Jede Buchseite ist zweigeteilt und enth?lt zus?tzlich zum Haupttext auch Randbemerkungen und Fu?noten. Daher muss zusammenh?ngender Text für jede Buchseite einzeln in ?Textregionen“ markiert werden. Wissenschaftlich interessant ist ?Paraguay Cultivado“ auf mehreren Ebenen. ?Es dokumentiert den Sprachkontakt von Spanisch und Guaraní und zeigt, wie sich die Sprachen gegenseitig beeinflusst haben“, erkl?rt Steffen. Denn die Jesuiten haben auf Guaraní missioniert, dafür die Grammatik der Sprache beschrieben und W?rter für den christlichen Wortschatz neugeformt. In Sánchez Labradors Werk zeigen sich jedoch Abweichungen von der traditionellen Form des jesuitischen Guaraní des 17. Jahrhunderts, die auf Neuerungen hindeuten. Auch als historische Quelle ist ?Paraguay Cultivado“ wertvoll. So enth?lt es Informationen unterschiedlicher Art, zum Beispiel über die jesuitische und indigene 威尼斯赌博游戏_威尼斯赌博app-【官网】izin und das soziale Leben in der Region sowie die Jesuitenmission im Allgemeinen. Es dokumentiert den Kulturkontakt und erm?glicht eine differenzierte Betrachtung der Kolonialzeit. Ein Nebenprojekt zeigt, welchen praktischen Nutzen die Auseinandersetzung mit dem historischen Werk heute haben kann: Zusammen mit einem Ethnobotaniker soll ein Buch mit Rezepten aus ?Paraguay Cultivado“ entstehen. Dafür werden diese zusammen mit einer indigenen Guaraní-Community und einer spanisch-argentinischen K?chin nachgekocht. Zudem geben die Rezepte interessante Hinweise auf Handelsnetzwerke im 18. Jahrhundert. cg ?
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Inzwischen sind Editionen der ersten beiden Teile, ?El Paraguay Natural Ilustrado“ (1767–1776) (in Teilen) und ?El Paraguay 威尼斯赌博游戏_威尼斯赌博app-【官网】o” (1769–1772), erschienen. Nun soll auch der dritte Teil, ?El Paraguay Cultivado“ (1772-1776, erg?nzt bis ca. 1790) folgen. Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Joachim Steffen, Inhaber des Lehrstuhls für Angewandte Sprachwissenschaft (Romanistik) an der Universit?t Augsburg, wird das Manuskript untersuchen und eine Ver?ffentlichung vorbereiten. Das Projekt ist eine Kooperation mit Prof. Dr. Harald Thun von der Christian-Albrechts-Universit?t zu Kiel. Es wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 500.000 Euro gef?rdert.Originellster Teil, lange verschollen
Kompletten Text zug?nglich machen
?Wir m?chten pr?zise Verweise und Quellenangaben erg?nzen und die betreffenden Auszüge ebenfalls transkribieren.“ So soll eine umfassende kritische Edition des ?Paraguay Cultivado“ entstehen. Nach M?glichkeit wird sogar die gesamte 4.400 Seiten starke Trilogie neu transkribiert. Denn die ersten beiden Teile wurden zwar ver?ffentlicht, sind aber kaum zug?nglich. ?Zum ersten Mal in der Rezeptionsgeschichte w?re dann eine umfassende vergleichende Interpretation des Werks m?glich“, sagt Steffen.Vielsprachiger Text, besonderes Layout
Au?erdem kommen neben Spanisch weitere Sprachen vor, darunter Italienisch, Latein, Franz?sisch, Englisch und Guaraní. Diese Sprache geh?rt zur Sprachfamilie der Tupí-Guaraní-Sprachen und wird heute in Paraguay und in Teilen Argentiniens, Boliviens und Brasiliens von einigen Millionen Menschen gesprochen. Bei W?rtern aus diesen Sprachen macht das Programm ?fter Fehler, und die Forschenden müssen das Ergebnis besonders genau prüfen.?Sprache und Handwerk
Zudem beschreibt ?Paraguay Cultivado“ das damalige Handwerk: ?Welche Rohstoffe, welche Materialien wurden eingesetzt? Darüber ist heute weniger bekannt, als man meinen k?nnte“, erl?utert Steffen. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Corinna Gramatke widmet sich diesem Thema aus geschichtlicher Perspektive, w?hrend mit Dr. Leonardo Cerno ein Fachmann für das ?guaraní colonial“ gewonnen werden konnte. Erg?nzt wird das Team durch den Doktoranden Christian Wilson, der eine ethnolinguistische Spezialisierung anstrebt.Geschichte des Kolonialismus aufkl?ren
?Heutzutage gibt es oft die vereinfachende Annahme: Die Europ?er kamen und unterdrückten die anderen. Tats?chlich war das Geschehen in Paraguay vielschichtiger“, sagt Steffen. ?Natürlich fand eine ideologische Bevormundung statt. Doch niemand wurde mit dem Schwert gezwungen, in den Reducciones, also den von Jesuiten geschaffenen Siedlungen für die Guaraní, zu bleiben. Auf einen oder zwei Pater kamen etwa 2.000 bis 7.000 Guaraní.“ Die indigenen Communities verfolgten in dem Kulturkontakt auch eigene Interessen, so Steffens These. ?Unser Wunsch ist es, diese Vielschichtigkeit sichtbar zu machen und dazu beizutragen, über die Kolonialzeit aufzukl?ren.“Historische Rezepte nachkochen
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