2022 - Zusammenhalt
Augsburger Gespr?che zu Literatur - Theater - Engagement 2022
Augsburger Gespr?che: Literatur ¨C Theater ¨C Engagement
#Zusammenhalt
20. ¨C 22. Juli 2022
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Nicht nur durch die Erfahrungen mit der Pandemie, sondern auch ganz aktuell vor dem Hintergrund des Kriegsgeschehens in der Ukraine scheint der Zusammenhalt der Gesellschaft aufs ?u?erste bedroht. F¨¹r die Bertelsmann Stiftung, die bereits seit 2012 das Projekt ?Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt¡° durchf¨¹hrt, besteht Zusammenhalt aus vertrauensvollen und vielf?ltigen sozialen Beziehungen, einer positiven emotionalen Verbundenheit mit dem Gemeinwesen, dessen Grundordnung als fair akzeptiert wird und aus der Bereitschaft der Menschen, f¨¹r die Allgemeinheit und f¨¹r Schw?chere aktiv Verantwortung zu ¨¹bernehmen. Zusammenhalt scheint also wichtig f¨¹r das gesellschaftliche Miteinander und letztlich zentral f¨¹r das Gelingen einer liberalen Demokratie. ?Auf den ersten Blick¡°, so der Politikwissenschaftler Jan-Werner M¨¹ller, ?kann niemand etwas gegen die Forderung nach Zusammenhalt sagen ¨C au?er vielleicht den Verdacht, viele Reden ¨¹ber Zusammenhalt seien ein Rennen um die besten Gemeinpl?tze. Auf den zweiten Blick darf man jedoch fragen, wie der Ruf nach Koh?sion eigentlich mit einem anderen zentralen Begriff im bundesrepublikanischen Demokratiediskurs zusammenpasst: dem der Streitkultur.¡° In einer pluralistischen Gesellschaft sind Differenzen und Konflikte essentiell und sogar Ausdruck von politischer Freiheit. ?Konflikt ist Freiheit¡°, so der Soziologe Ralf Dahrendorf, und die ?Regierung durch Konflikt¡° ist eine Selbstverst?ndlichkeit in einer liberalen Demokratie, in der Differenzen ausgehalten und auf friedliche Weise geregelt werden. Wie aber l?sst sich dieser Befund mit der Idee des Zusammenhalts vereinbaren?
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Zusammenhalt scheint also kein Wert an sich zu sein. Der Begriff muss offensichtlich in einen gr??eren Zusammenhang von Werten eingebettet werden, die in einer Demokratie z.B. Grundvorstellungen von Freiheit und Gleichheit bedeuten k?nnen. Daher greift auch der Vorwurf, der seit geraumer Zeit Vertreter*innen der Identit?tspolitik gemacht wird, n?mlich die Spaltung der Gesellschaft zu forcieren, zu kurz. Anstatt sich auf Gemeinsamkeiten zu besinnen und die andere Seite als legitimen Partner im Konflikt anzuerkennen, werde sofort "gecancelt". Ganz grunds?tzlich geht es bei dieser Form der Identit?tspolitik aber nicht um pers?nliche Befindlichkeiten, sondern um die Verwirklichung von Grundrechten ¨C und zwar auf der Basis gesamtgesellschaftlich geteilter Prinzipien wie Freiheit und Gleichheit. Es geht hier um eine Verteidigung von Menschenrechten, also um elementare Forderungen f¨¹r alle. Anders sein ohne Angst ¨C diese von Theodor W. Adorno inspirierte Formulierung vermittelt, worauf Identit?tspolitik eigentlich abzielt: eben kein ?identisch machen¡®. Gemeinsinn entst¨¹nde dann gerade aus der Verpflichtung, Rechte immer wieder neu auszuhandeln, sie zu erweitern, um eine Gesellschaft des Zusammenhalts ¨¹berhaupt erst erm?glichen zu k?nnen. Diese Bereitschaft zur Aushandlung k?nnte gerade das Verbindende sein.
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Zusammenhalt bedeutet also Konfliktf?higkeit und das konstruktive Ringen um die beste gemeinsame Zukunft. Er kann weder ?von oben¡® verordnet, noch von Institutionen vorgeschrieben werden. Doch wer definiert also den Zusammenhalt und auf welcher Grundlage? Und muss die Vielfalt der Meinungen tats?chlich ¨¹ber alles gestellt werden? M¨¹ssen nicht auch ?unverhandelbare Grenzen markiert werden, damit nicht diejenigen allein gelassen werden, die an die Demokratie glauben und die ihren Schutz brauchen?¡° (Carolin Emcke) Gerade vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland stellt sich diese Frage einmal mehr.
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Es gibt also scheinbar keine neutrale Vorstellung von Zusammenhalt. ?Vielleicht ist das der eigentliche Sinn des Begriffs ¨C uns zum Nachdenken ¨¹ber die Alternativen zwischen verschiedenen normativen Konzeptionen des Zusammenhalts zu motivieren.¡° (Rainer Forst).
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Wo aber sind diese Orte der Aushandlung zu finden und welche Rolle spielen hier vor allem das Theater und die Literatur? Stellen sie R?ume der Streitkultur zur Verf¨¹gung oder liefern sie qua ihrer Imaginationsf?higkeit Visionen des Zusammenhalts? Und wie sehen diese Visionen aus, werden sie gezeigt, offenbar gemacht oder stellen sie sich erst im Zusammenspiel mit den Leser*innen und Zuschauer*innen her? Welche Rolle spielt dabei die Literarizit?t, die Theatralit?t? Geht es also allein um inhaltliche Aspekte oder wird gar die Form zur Tr?gersubstanz einer wie auch immer gearteten Haltung? Diesen und anderen Fragen ist in offener und geschlossener Runde im Rahmen der Augsburger Gespr?che vom 20. bis 22. Juli 2022 nachzugehen.