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Die Tempelgesellschaft und die deutsche Kolonie in Haifa (1850-heute)

Beitrag von Selena Ofer

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Zu Haifas sehenswerten Stadtvierteln z?hlt die ?German Colony“. Dabei handelt es sich um die etwa 150 Meter lange Ben-Gurion-Stra?e, an der sich die restaurierten H?user der deutschen Templer reihen. In diesen befinden sich heute haupts?chlich Restaurants und kleine Cafés. Doch wer waren eigentlich die Templer, die von 1868 bis 1948 in Pal?stina residierten?

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Der Ursprung der Tempelgesellschaft

Im 17. Jahrhundert entstand in Deutschland die pietistische Bewegung. Diese strebte eine kirchliche Reformation an, genauer gesagt die Vollendung der Reformation. Durch einen verst?rkten Glauben wollten die Pietisten einen neuen Geist in die protestantische Kirche bringen.

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Im Staat Württemberg, in welchem sich die Gemeinde besonderer Beliebtheit erfreute, wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine neue liberalere Liturgie erlassen. In den Kreisen der Pietisten fand die Entwicklung keine Zustimmung. Auch der Theologe Christoph Hoffmann, der ihnen angeh?rte, kritisierte diese. Er war sich sicher, dass den Menschen in naher Zukunft gro?es Unglück bevorstehen werde. Um sie davor zu schützen, w?re es erforderlich, das Gottesvolk in einer Lebens- und Glaubensgemeinschaft – die auf Fr?mmigkeit, einem ethischen Lebenswandel und der Erfüllung des Gebotes der Liebe beruhe – zu vereinigen. Dabei sollten Dogmen, Sakramente, Bekenntnisse und die Liturgie keine bedeutende Rolle spielen. Doch da genau die Dinge, die Hoffmann als unwichtig deklarierte, für die Landeskirche und die Pietisten wesentliche Bestandteile der Glaubensausübung waren, kam es zu Streitigkeiten.

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Es folgte eine neue Bewegung, die sich aus dem schw?bischen Pietismus unter Hoffmann und dem gleichgesinnten Georg David Hardegg hervortat. Dabei handelte es sich um die Templer, die im Jahre 1854 begannen, ihre ?bersiedlung in das Heilige Land Pal?stina zu planen, um dem aufkommenden ?bel zu entfliehen. Die Anh?nger, die dem Tempel angeh?rten, verstanden unter der Begrifflichkeit kein Haus oder Geb?ude, sondern die Gründung eines Volkes, das sich selbst als Wohnraum Gottes ansah. 1861 trennten sie sich endgültig von der evangelischen Kirche und gründeten den ?Deutschen Tempel“, eine selbst?ndige christliche Glaubensgemeinschaft. In ihren frühen Jahren hatten sie mit vielen, immer wieder aufkommenden Schwierigkeiten zu k?mpfen, die sie an der ?bersiedelung nach Pal?stina hinderten. Erst 14 Jahre nach Beginn der Planungen konnten sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzen. 1868 verlie?en die ersten Templer Württemberg.

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Die Kolonie in Haifa

Haifa wurde zum ersten Posten der Gemeinschaft, da die Stadt aufgrund der Meereslage bessere Verbindungen und auch mehr Schutz als das ebenfalls in Erw?gung gezogene Nazareth bot. Das hatte aber nicht zu bedeuten, dass Haifa schon in gewisser Form fortschrittlich war. Zur damaligen Zeit war die Stadt ein sehr bescheidener Ort. In diesem lebten etwa 4.000 Menschen, eingeengt innerhalb der Stadtmauern. Dort gab es weder einen ausgebauten Hafen noch geeignete Stra?en. Jedoch war Haifa in dieser Hinsicht kein Ausnahmefall. Pal?stina wies im Allgemeinen keine nennenswerte Infrastruktur auf und war aus europ?ischer Sicht unterentwickelt.

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Im Januar 1869 erwarb die Tempelgesellschaft die ersten Grundstücke, die nahe am Meer und au?erhalb der Stadtmauern lagen. Im September wurde der Grundstein für das Gemeindehaus gelegt, das als Schule und Versammlungsort diente. Zudem wurde eine breite Stra?e, die Carmel Avenue (heute Ben-Gurion-Stra?e) gebaut. Auf jeder Seite sollten zun?chst fünf H?user stehen. Erst wenn sich die ersten Siedler in den neuen Alltag eingefunden h?tten, sollte die Kolonie und auch ihre Einwohnerzahl sukzessiv erweitert werden.

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Die Templer waren zu Beginn vorwiegend im landwirtschaftlichen Bereich t?tig. Doch der Boden war nicht sehr fruchtbar. Da wenig Ertr?ge erzielt wurden, verlie?en viele wieder den agrarischen Sektor und widmeten sich zunehmend dem Transportwesen und der Tourismusbranche, dem Handelswesen, der Industrie und dem Handwerk. Im Zentrum von Haifas Kolonie bauten sie das Karmelhotel. In diesem konnten Pilger auf europ?ischem Niveau leben. Zudem beteiligten sich die Siedler am Stra?enbau und setzten sich für eine Verbesserung des Verkehrsnetzes ein. Sie leisteten einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung Pal?stinas.

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Mit den Jahren vergr??erte sich die Kolonie. So lebten dort 1873 bereits 250 Deutsche in 38 H?usern. Doch Haifa war nicht die einzige Kolonie der Templer; es wurden sechs weitere Siedlungen gegründet.

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Abb. 1: Blick auf das heutige Haifa.

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Die zweite Siedlergeneration

Als Hoffmann 1885 verstarb, verschwand sein religi?ser Idealismus langsam aus den K?pfen der Templer. Es entwickelte sich ein ausgesprochener Nationalismus und Kolonialismus. Jedoch behielten sie ihre antisakramentale und antiliturgische Haltung bei. W?hrend die Gemeindemitglieder in der Aufbauphase ausschlie?lich zum Wohlwollen der Gemeinschaft arbeiteten, kamen mit der Zeit zunehmend auch die individuellen Bedürfnisse auf. Dadurch verbesserte sich die wirtschaftliche Situation der Einzelnen. Die Gesellschaft verlor aber mehr und mehr ihre geistlichen Inhalte. Zudem waren bereits einige Siedler (ein Drittel), vorwiegend Hardeggs Anh?nger, in die evangelische Kirche zurückgekehrt, da Hardegg aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit Hoffmann den Deutschen Tempel verlassen hatte. Dennoch lebten die sogenannten ?Kirchler“ harmonisch mit den Templern zusammen.

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1898 lebten 517 Pal?stinadeutsche in der Kolonie. Das Spektrum der Berufe, die sie nun ausübten, war gro?. Sie hatten auch eine Fabrik für Seifen und Oliven?l. Die Produkte lieferten sie sogar bis nach Amerika.

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Der erste Weltkrieg

Von den etwa 2.200 Pal?stinadeutschen, die in den verschiedenen Kolonien lebten, wurden 1914 die wehrf?higen M?nner zum Milit?r eingezogen. Sie standen als Verbündete der Türken den Gro?m?chten Frankreich, Russland und Gro?britannien gegenüber.

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Kurz nach Kriegsausbruch wurden die Güter knapper. Allerdings kam vorerst keine gro?e Not auf. So a?en die Siedler beispielsweise Bulgur statt Reis und Oliven?l statt Butter. Sie verwendeten ?llampen oder, seltener, Kerzenlicht bei Festlichkeiten, anstelle von Petroleumlampen. Erst im Frühjahr 1915 gab es aufgrund einer Heuschreckenplage einen Nahrungsmittelengpass. Haifa wurde mehrmals von franz?sischen Kriegsschiffen beschossen, doch der angerichtete Schaden war relativ gering, da viele Granaten nicht zündeten.

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1917 eroberte schlie?lich Gro?britannien Pal?stina und beschlagnahmte die deutschen Siedlungen und übergab sie in englische und amerikanische Treuhandschaft. Ein Gro?teil der Pal?stinadeutschen musste im August 1918 das Land verlassen. Sie wurden für zwei Jahre in den ?gyptischen Lagern Sidi Bischr und Heluan interniert. Anschlie?end erlaubte Gro?britannien ihnen wieder in ihre Kolonien zurückzukehren. Daraufhin begannen die Siedler den Rückschlag, den sie durch den Krieg erlitten hatten, auszugleichen. Schon bald erstrahlten die Siedlungen wieder in ihrem alten Glanz.

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Der zweite Weltkrieg

Bereits einen Tag nach Beginn des Krieges, am 2. September 1939 wurde die deutsche Kolonie in Haifa von englischer und jüdischer Polizei umstellt. Die Siedler mussten ihre Gesch?fte schlie?en und sie durften den Stra?enverkehr nicht mehr nutzen. Die zurückgebliebenen wehrf?higen M?nner unter 51 Jahren kamen in Akkon in Gefangenschaft. Am 19. Dezember 1939 waren schlie?lich alle Deutschen gezwungen, Haifa zu verlassen. Sie wurden verschiedenen Bussen zugeteilt, die sie in die zu Internierungslagern umfunktionierten Kolonien Sarona, Wilhelma, Bethlehem oder Waldheim brachten. Die Briten behandelten sie dort stets gut. Doch nicht jeder konnte im Heiligen Land bleiben. 665 Pal?stinadeutsche begaben sich auf eine Reise, ohne ihr Ziel zu kennen. Zun?chst brachten die Briten sie an den Bahnhof. Mit dem Zug fuhren sie nach ?gypten. Von hier aus nahmen sie das Schiff. Erst auf hoher See erfuhren sie, dass sie auf dem Weg nach Australien waren. Dort wurden sie in dem Internierungslager in Tatura untergebracht.

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Als der Krieg letztendlich beendet war, bemühten sich die Deutschen sehr, sich in ihr früheres gewohntes Leben einzufinden. Doch dies gelang ihnen nicht. Im April 1948 kurz vor der Gründung des Staates Israels, überfielen Soldaten der jüdische Armee Haganah Waldheim. Da es unter den Siedlern viele Verletzte und Tote gab, griffen die Briten ein und brachten die Deutschen in Zypern in Sicherheit. Die meisten von ihnen kehrten nach Deutschland zurück, einige reisten aber auch nach Australien zu Verwandten und Freunden, die sich dort nach der Internierungszeit ein Leben aufbauten. Sie gründeten im August 1950 die australische Tempelgesellschaft, die neben der Tempelgesellschaft in Deutschland noch heute existiert.

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Fazit

Letztendlich erfüllten sich die religi?sen Visionen Hoffmanns, das Volk Gottes im Heiligen Land zu sammeln, nicht. Die Templer blieben eine kleine Gemeinschaft in Pal?stina, die einen starken Nationalismus entwickelten und sich nicht anpassten. Doch trotz ihrer geringen Einwohnerzahl trieben sie die Modernisierung des Landes voran. Auch Israel best?tigt heute, dass die Siedler in hohen Ma?en zum Fortschritt des Landes beitrugen.

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Literatur

  • Ralf Paul Gerhard Balke, Die Landesgruppe der NSDAP in Pal?stina, Diss. phil. Düsseldorf 1997.
  • Willi Bidermann, Vom Schwarzwald ins Heilige Land. Die Templer im Schwarzwald und ihr Aufbruch nach Pal?stina, Horb am Neckar 1990.
  • Alex Carmel, Die Siedlungen der württembergischen Templer in Pal?stina 1868 – 1918. Ihre lokalpolitischen und internationalen Probleme, Stuttgart 1973.
  • Gebietsleitung der Tempelgesellschaft in Deutschland (Hrsg.), Damals in Pal?stina. Templer erz?hlen vom Leben in ihren Gemeinden, Stuttgart 1990
  • Protestanten in Pal?stina. Religionspolitik, Sozialer Protestantismus und Mission in den deutschen evangelischen und anglikanischen Institutionen des Heiligen Landes 1917 – 1939, hrsg. von Damberg, u.a. (Konfession und Gesellschaft. Beitr?ge zur Zeitgeschichte, Band 37), Stuttgart 2008.

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Abbildungen

Abb. 1: ? Selena Ofer, 2018.

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