K?lderer-Projekt
Edition der Chronik des Georg K?lderer (Augsburg um 1600)
Die Fritz-Thyssen-Stiftung hat Mittel für die Edition und Bearbeitung der Chronik des Augsburgers Georg K?lderer (1550? - 1607) bewilligt. In dem auf zwei Jahre angelegten Projekt sollen sechs von ursprünglich acht existierenden Manuskriptb?nden des Handelsangestellten K?lderer, die ca. 2.400 Seiten im Folioformat umfassen und sich in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg befinden, herausgegeben werden. Die Edition wird die Doktorarbeit von Benedikt Mauer erg?nzen, die demn?chst unter dem Titel ?"Gemain Geschray" und "teglich reden". Georg K?lderer - ein Augsburger Chronist des konfessionellen Zeitalters' in der Reihe Studien zur Geschichte des Bayerischen Schwaben erscheinen wird.
Die Chronik K?lderers ist aus mehreren Gründen eine au?erordentlich wichtige Quelle zur Erforschung des ausgehenden 16. Jahrhunderts. Ihr Autor entstammte einer Handwerkerfamilie - sein Vater war Sattlermeister -, arbeitete jedoch als Handelsdiener bzw. -schreiber bei dem gro?en Augsburger Handelshaus Wei?. Hier erfuhr er im Rahmen der Korrespondenz zahlreiche Neuigkeiten aus dem In- und Ausland, zudem hatte er Zugang zu den sogenannten 'Fuggerzeitungen'. Flugschriften und -bl?tter komplettierten seine Nachrichtensammlung ebenso wie Bücher. Neben diesen Informationstr?gern war jedoch das gesprochene Wort von gr??ter Bedeutung. ?ber seine Schulbildung ist nichts bekannt. Lateinkenntnisse sind nicht festzustellen. Mehrmals entschuldigte er sich beim Leser, wenn er mi? schreibe. K?lderer lie? sich von zahlreichen, h?ufig nur unzul?nglich identifizierbaren Bekannten über den neuesten Stand der Dinge in Augsburg informieren. Informationskan?le aus dem administrativen Raum standen ihm ebenso zur Verfügung wie solche aus dem kirchlichen Bereich. K?lderers berufliche Situation führte jedoch dazu, da? er auch weit über den st?dtischen Tellerrand hinausblicken konnte. War Augsburg als Lebensmittelpunkt von zentraler Bedeutung für ihn, so spielte das Reich als chronikalisches Thema die zweitwichtigste Rolle. Politische Ver?nderungen, dynastische Querelen, bewaffnete Auseinandersetzungen und auch hier die sich aus den konfessionellen Gegens?tzen ergebenden Konflikte waren eine Fixierung ebenso wert wie Kometenerscheinungen und Wundergeburten in Prag oder der Steiermark.
Besonders bemerkenswert sind zudem die Bilder, die K?lderer sich vom Kaiser und den Reichsinstitutionen machte, welche Aufgaben, Pflichten und Rechte er ihnen beima?, wie er etwa ihre Legitimit?t definierte. Die europ?ische Staatenwelt kam ebenso in den Blick. P?pste und türkische Sultane, italienische Fürsten und spanische K?nige fanden genauso den Weg in K?lderers Chronik wie Thronstreitigkeiten in Polen und die Auseinandersetzungen Maria Stuarts und Elisabeths I. Die geographisch exotischsten Nachrichten stammten aus Peru und Japan. Diese Notizen und Einsch?tzungen werden erg?nzt durch kulturhistorisch besonders interessante Kommentare zu K?rper-, Krankheits- und Todeserfahrungen, dem Hexenglauben und der Wunderwahrnehmung, auch der Traumschilderung.
Die Chronik K?lderers nimmt in der Quellengruppe der Chroniken somit einen besonders hohen Rang ein. Sie entstand nicht nur an einer Nahtstelle europ?ischer, insbesondere süd- und mitteleurop?ischer Kommunikation und verfügte über innovative Nachrichtenvermittlungsformen (u.a. die sogenannten Fugger-Zeitungen), sondern zeichnet sich auch durch eine überdurchschnittliche Breite der Wahrnehmung und Erfassung vielf?ltigster Themen aus, was u.a. mit der epochalen Verdichtung des historischen Wandels ihrer Entstehungszeit zu tun hat. Alle diese Charakteristika begründen einen au?erordentlichen interdisziplin?ren Quellenwert; neben der Geschichtswissenschaft und der allgemeinen Kulturforschung werden auch die Kommunikationswissenschaft, die Volkskunde, die Kunstgeschichte, Rechtsgeschichte, Kirchengeschichte und die Philosophie von ihrer Edition profitieren.
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Georg K?lderer: ?Beschreibunng vnnd Kurtze Vertzaichnus. Fürnemer Lob vnnd gedenckhwürdiger Historien“ Eine Chronik der Stadt Augsburg der Jahre 1576 bis 1607
Zwischen 1576 und 1607 verfasste der AugsburgerHandelsschreiber Georg K?lderer eine ebenso umfangreiche wie reich illustrierte Chronik. In ihrer Detailfülle, Erfassungsreichweite sowie zeitgeschichtlichkulturellen Reflexion und Urteilsbildung ragt sie auch im europ?ischen Vergleich hervor. Nachdem das handschriftliche Werk vor allem in der Kulturgeschichte bereits vielfach genutzt wurde, k?nnen das Institut für Europ?ische Kulturgeschichte der Universit?t Augsburg und die Schw?bische Forschungsgemeinschaft bei der Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften nunmehr gemeinsam eine Edition vorlegen, die die Aufzeichnungen einem breiteren Publikum zug?nglich macht. Die wahrscheinlich im heutigen Stift St. Jakob entstandene Beschreibunng bietet in der deutschen Sprache des ausgehenden 16. Jahrhunderts einen faszinierenden Einblick nicht nur in die Geschicke einer konfessionell zerrissenen und in die zeitgen?ssische europ?ische Politik eingebundenen Metropole des damaligen Heiligen R?mischen Reiches Deutscher Nation. Vielmehr wird ihr Leser auch in die Weltauffassung und Denkhorizonte eines weder der ungebildeten Unterschicht noch der h?chsten Elite der Stadt angeh?renden Bürgers eingeführt. Er suchte Sinn und Halt in den Krisen seiner Zeit, die sich zum Drei?igj?hrigen Krieg zuspitzen, und prangerte Luxus und Laster an, nicht ohne zeitweilig in Depressionen zu verfallen. Darüber hinaus vermitteln die Aufzeichnungen, in die auch Nachrichten der zeitgen?ssischen Fuggerzeitungen und zahlreicher Flugbl?tter eingingen, die heute teilweise anderweitig gar nicht mehr greifbar sind, Informationen zu ganz Europa und selbst der au?ereurop?ischen Welt: zur zeitgen?ssischen Politik und Kultur der gro?en und vieler kleiner M?chte, einschlie?lich des Osmanischen Reiches, zum Papsttum, zu Katastrophen und Wundern usw. Was sich vor den Augen des Lesers entfaltet, ist damit ein umfassendes, farbiges Panorama einer Epoche, die gemeinhin als Goldene Zeit Augsburgs gilt, hier aber auch ihre Spannungen, Widersprüche und Schattenseiten offenbart.
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Projektleiter:
Prof. Dr. Wolfgang E.J. Weber
(Augsburg)
Projektbearbeiterin:
Dr. Silvia Strodel
(Augsburg)