Portrait: Prof. Dr. Susanne Kinnebrock
Mein Traumberuf...
war lange Zeit Astronautin. Die Mondlandung, die Apollo-Missionen, die ganze Raketentechnik, das hat mich enorm fasziniert. Ich wollte die Welt erkunden. Irgendwann wurde mir klar, dass mir die soziale Welt noch n?her liegt als die physikalische. Deshalb wollte ich dann, als ich in die Oberstufe kam, Journalistin werden. Die Motivation dahinter war ?hnlich: Ich war neugierig, ich wollte die Welt erkunden und ich wollte sie verstehen.
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... und der Weg ¨¹ber die Kommunikationswissenschaft...
Da ich Journalistin werden wollte, lag es nahe,?Kommunikationswissenschaft zu studieren. Und zudem geht und ging es in der Kommunikationswissenschaft um ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ien, also um alles, was mir Freude gemacht hat. Damals, Ende der 1980er Jahre, waren das Zeitungen und Zeitschriften, das Fernsehen, das Radio, B¨¹cher, Kinofilme sowie Werbung und Plakatkunst.
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... zur Forschung
Die Kommunikationswissenschaft besch?ftigt sich mit ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ien, ihrem Gebrauch und ihrer Wirkung. Sie ist dabei eine empirische Sozialwissenschaft, d.h. Daten spielen eine zentrale Rolle. Und ich war fasziniert davon, dass man ¨¹ber die Analyse verschiedenster Daten soziale Prozesse voraussagen konnte ¨C z.B. Wahlen und ihren Ausgang. Als Studentin entwickelte ich die Vorstellung, dass man als Forscherin die Dinge vor den anderen wissen kann und nicht immer erst im Nachhinein ¨¹ber das bereits Geschehene schreibt, wie das im Journalismus der Fall ist. Bezogen auf Prognosen bin ich heute zur¨¹ckhaltender. Geblieben ist aber die Faszination, mediale Kommunikationsprozesse tats?chlich zu verstehen und ihre Regelhaftigkeit, d.h. stabile Muster, zu erkennen.
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Die eindr¨¹cklichsten Erinnerungen aus dem Studium...?
Die mit Abstand eindr¨¹cklichste Vorlesung in meinem Studium an der LMU M¨¹nchen hat James Horton gehalten. Das war ein US-amerikanischer Gastprofessor, ein Schwarzer ¨C als solcher hat er sich bezeichnet. Er hat in meinem Nebenfach Amerikanische Kulturgeschichte die Sozialgeschichte der USA erl?utert ¨C und dabei Blick in die Lebenswelten all der Gruppen gegeben, ¨¹ber die man damals wenig erfahren hat: Schwarze, die indigene Bev?lkerung, Frauen, Migrant*innen. Pro Sitzung habe ich nur zwei Seiten mitgeschrieben ¨C und wenn ich diese Notizen heute sehe, kann ich immer noch ewig dar¨¹ber erz?hlen. So eindr¨¹cklich war diese Vorlesung. Sp?ter ist James Horton dann der historische Berater von Bill Clinton geworden und hat an der Konzeption des ?Museum of African American History and Culture¡° in Washington mitgewirkt. Als es 1988 an den v?llig ¨¹berf¨¹llten Universit?ten zu Streiks und zur Aktion ?Uni bei Nacht¡° kam, haben wir die halbe Nacht singend verbracht. James Horton war ein begnadeter Jazz-S?nger, hat spontan eine Vorlesung ¨¹ber Protestsongs gehalten und wir haben in der besetzten Uni Lieder gesungen wie ?We shall overcome¡°. Diese spezielle akademische Nacht werde ich nicht vergessen.
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Eine meiner negativsten Studienerfahrungen h?ngt auch mit den damals v?llig ¨¹berf¨¹llten Studieng?ngen zusammen: Ich hatte mich sehr gefreut auf ein Methodenseminar zur Befragung, vorab sogar Literatur gelesen. Und dann stand ich in der ersten Sitzung mit rund 100 weiteren Studierenden auf dem Gang. In den Seminarraum kam man gar nicht mehr hinein. Der Dozent stellte sich schlie?lich auf einen Tisch und meinte, er w¨¹rde nun so lange warten, notfalls zwei Tage, bis nur noch 30 Leute im Raum stehen w¨¹rden. Diese rappelvollen Studieng?nge, das Gef¨¹hl, das man mich loswerden wollte, egal welchen Einsatz ich zu bringen bereit war, das war ungemein frustrierend. Ich bin sehr froh, dass mit dem ?bergang zum Bachelor-Master-System vern¨¹nftige Kapazit?tsbeschr?nkungen kamen, die solche Situationen in der Regel verhindern.
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Meine Forschungsschwerpunkte
Ich habe mindestens drei Forschungsschwerpunkte: Geschlechterforschung, ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ienwandel und Gesundheitskommunikation.
Zur Geschlechterforschung bin ich gekommen, weil ich auf eine simple Frage oft keine Antwort erhielt ¨C die Frage: Gelten diese Erkenntnisse wirklich f¨¹r alle? Und zu oft wird ¨C oder zumindest wurde ¨C von der Lebenssituation privilegierter M?nner vorschnell auf die von anderen Bev?lkerungsteilen geschlossen. Um ein Beispiel zu bringen aus meinem ersten Drittmittelprojekt, das ich als Assistentin vom BMBF einwerben konnte: Lange Zeit galt es beispielsweise als gesetzt, dass es vor den 1920er Jahren keine Journalistinnen gegeben habe. So ein Unsinn! Journalistinnen hatten einfach nur keine sicheren Festanstellungen bei angesehenen Bl?ttern und waren deshalb nicht so sichtbar. Aber sie haben dennoch unter schwierigsten Voraussetzungen geschrieben und um ?ffentlichkeit gek?mpft. Dass Frauen in Deutschland erst seit etwa 100 Jahren das Wahlrecht haben, ist gel?ufig. Weniger bekannt ist, dass f¨¹r die damaligen Frauen die Versammlungsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit und sogar die Pressefreiheit nur eingeschr?nkt g¨¹ltig waren. Das sind h?chst schwierige Voraussetzungen, wenn man als Journalistin t?tig sein m?chte oder als Frau ?ffentlich geh?rt werden will. Solche Schieflagen muss man ber¨¹cksichtigen und das Wissen darum macht den Wandel beim Thema ?Frau und ?ffentlichkeit¡° noch eindrucksvoller.
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Mein zweites Thema, ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ien- und ?ffentlichkeitswandel: Mich hat nicht immer nur das Neue ¨C die neuesten ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ien etc. ¨C interessiert, sondern der Weg dahin und die Regelhaftigkeit hinter Wandelprozessen. Und dazu muss man zur¨¹ck in die Geschichte schauen. Wie Frauen eine Stimme in der ?ffentlichkeit erlangt haben, das war lange Zeit mein zentrales Thema. In Augsburg ist ¨¹ber das Zentrum f¨¹r Interdisziplin?re Gesundheitsforschung (ZIG) noch als drittes Thema die Gesundheitskommunikation hinzugekommen.
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Was mich befl¨¹gelt und motiviert...
Ein inspirierendes Umfeld. Ich finde es gro?artig, mich mit Kolleg*innen auszutauschen und unterschiedliche Expertisen zusammenzuf¨¹hren. Dieser Austausch, dieses permanente Dazulernen, die neuen Blickwinkel auf Ph?nomene, all das macht f¨¹r mich den sch?nen Kern wissenschaftlichen Arbeitens aus. Und auf diese Art und Weise haben mich Kolleg*innen f¨¹r neue Themen begeistert ¨C sei es die Gesundheitskommunikation oder auch j¨¹ngst die Wissenschaftskommunikation.
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Wer mich beruflich unterst¨¹tzt hat...
Das waren v.a. Frauen ¨C zun?chst meine Doktormutter, Ursula E. Koch, die damals die einzige Professorin am M¨¹nchner Institut f¨¹r Kommunikationswissenschaft war. Sie hat mich schon w?hrend meiner Studienzeit stets motiviert, dass ich all das, was ich nicht in die Magisterarbeit hineinpacken k?nne, mir doch f¨¹r die Promotion aufheben solle. Ihr Vertrauen in meine Forschungsarbeit hat mich befl¨¹gelt. Und nach der Promotion hatte ich das Gl¨¹ck, mich mit Elisabeth Klaus, die ein wegweisendes Modell der ?ffentlichen Kommunikation entwickelt hatte, viel austauschen zu k?nnen. Sie hat mich auf die Br¨¹cke zwischen etablierter ?ffentlichkeitsforschung einerseits und meiner Forschung zu fr¨¹hen Journalistinnen und historischer Frauenbewegung anderseits gesto?en. Aktuell arbeitete ich mit meiner Augsburger Kollegin Helena Bilandzic in zwei DFG-Projekten zusammen und lerne dabei viel dar¨¹ber, wie Menschen Narrationen kognitiv verarbeiten, welche Effekte das hat und wie sich dieses Wissen f¨¹r Gesundheitskampagnen nutzen l?sst. Da geht dann ihre Expertise im Bereich der ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ienrezeption und -wirkungen Hand in Hand mit meiner Expertise ¨¹ber die Dynamiken ?ffentlicher Kommunikation.
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Welche Bedeutung die Kommunikationswissenschaft heute hat...
Das Fach ist wichtiger denn je: Immer mehr Kommunikation verlagert sich auf ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ien, v.a. viel Alltagskommunikation in die Sozialen ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ien. Aber eine nur technikverliebte Sicht auf ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ien, die Technikpotenziale ins Zentrum stellt, l?uft Gefahr, die eigentlichen Kommunikationsph?nomene zu ¨¹bersehen. Denn Menschen nutzen ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ien durchaus eigenwillig, sie wollen kommunikative und menschliche Bed¨¹rfnisse befriedigen. Deshalb sind viele Grundmuster der menschlichen Kommunikation vergleichsweise stabil. Und die besondere Bedeutung der Kommunikationswissenschaft liegt darin, dass sie das wirklich Neue an ?Neuen ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ien¡° identifizieren in Verbindung zu menschlichen Kommunikationsbed¨¹rfnissen setzen kann. Ganz praktisch hei?t das, dass ich h?ufig ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ien- und Kommunikationsph?nomene beobachte ¨C z.B. den auch kommunikativ holprigen Start der Corona-Impfkampagne ¨C und mir w¨¹nschte, man h?tte im Vorfeld Kolleg*innen aus der Kommunikationswissenschaft konsultiert. Zahlreiche ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ien- und Kommunikationsprobleme sind durchaus antizipierbar.
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Die ?ffentliche Kommunikation und die Diskussion um Social ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ia...
Trump und all die unsch?nen Social-ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ia-Inhalte haben die Schattenseiten von medialer Kommunikation sehr eindr¨¹cklich vor Augen gef¨¹hrt. Allerdings sind gezielte Desinformation, Propaganda oder auch Rufmord alte Kommunikationsph?nomene. Und zur Verbreitung toxischer Inhalte wurden ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ien schon immer eingesetzt. D.h. es gibt in der Kommunikationswissenschaft viele Vorarbeiten, die uns helfen, diese Entwicklungen zu analysieren und einzuordnen. Mein pers?nlicher Eindruck ist, dass die Kommunikationswissenschaft lange Zeit eher das aufkl?rerische, emanzipatorische und partizipative Potenzial von ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ien ins Zentrum der Forschung gestellt hat. Und die aktuellen Entwicklungen haben eindr¨¹cklich gezeigt, dass wir toxische Kommunikation und Gefahren f¨¹r die ?ffentliche Kommunikation gleicherma?en beforschen m¨¹ssen.
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Wie ich nach Augsburg kam...
Das hing zun?chst einmal mit der Stellenausschreibung zusammen. Denn ?ffentliche Kommunikation ist genau das, was ich mache ¨C allerdings mit etwas anderem Fokus als viele Kolleg*innen. Vor rund 10 Jahren konzentrierte sich die Forschung stark auf die politische Seite der ?ffentlichen Kommunikation und auf Massenmedien. Ich hingegen habe eher die zivilgesellschaftliche Seite der ?ffentlichen Kommunikation beleuchtet, z.B. die Kommunikation in sozialen Bewegungen, in kleineren Communities und innerhalb von massenmedial wenig repr?sentierten Gruppen. Das war in Augsburg m?glich, dieser Ansatz wurde hier goutiert. Und mit dieser Perspektive war dann auch der Weg f¨¹r Forschung im Bereich Soziale ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ien angelegt.?Zu diesen akademischen Punkten kam hinzu, dass ich Augsburg als Stadt kannte, mochte und meinen Lebensmittelpunkt gerne nach Bayern zur¨¹ckverlegen wollte. Auch wenn mein Nachname das nicht signalisiert, ich komme aus der Gegend und bin sehr gerne zur¨¹ckgekommen.
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Was kommt beruflich in Zukunft?
Wenn ich das nur genau w¨¹sste. Ich freue mich immer auf das gerade anstehende Projekt ¨C aktuell ein gerade bewilligtes DFG-Projekt zur Bedeutung von wissenschaftlicher Evidenz und ihrer Vermittlung in der Corona-Krise. Und dann sehe ich mal, was f¨¹r neue Fragen sich daraus entwickeln. Es mag komisch klingen, aber ich habe keinen Masterplan, welches Projekt das allerwichtigste ist und nun partout umgesetzt werden muss. Die Welt ist voller Mysterien, es gibt so unglaublich viel im Bereich von ÍþÄá˹¶Ä²©ÓÎÏ·_ÍþÄá˹¶Ä²©app-¡¾¹ÙÍø¡¿ien und Kommunikation zu entdecken und zu erforschen. Ein leidlich neugieriger Mensch kann sich da vor lauter unbeantworteten Fragen kaum noch retten. Was ich sagen will: Es mangelt mir nicht an Projektideen und es erf¨¹llt mich mit Freude und Genugtuung, dass mein Beruf es mir erlaubt, zumindest ein paar dieser Ideen nachgehen zu k?nnen und entsprechende Forschungsprojekte zu konzipieren.